In Neukaledonien hat sich die dritte Nacht in Folge mit Unruhen ereignet, bei denen fünf Todesopfer zu beklagen sind, darunter zwei Polizisten.
Seit Tagen kommt es zu Krawallen im Südseeparadies Neukaledonien.
Seit Tagen kommt es zu Krawallen im Südseeparadies Neukaledonien. (Archivbild) - Delphine Mayeur/AFP/dpa

Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es die dritte Nacht in Folge zu Krawallen von Separatisten gekommen. Offiziellen Angaben zufolge sind bei den schweren Unruhen bislang fünf Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei Polizisten. Am Donnerstag starb ein Polizist nach Angaben von Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin durch «einen versehentlichen Schuss», wie der Sender France Info berichtete.

Hunderte weitere Menschen wurden verletzt. Örtliche Medien veröffentlichten Bilder von geplünderten und völlig zerstörten Supermärkten und Tankstellen. Noch immer wurden Brände in Geschäften und Einkaufszentren gemeldet.

Seit Anfang der Woche setzen Unabhängigkeitsbefürworter Läden und Autos in Brand. Bei den Protesten von Befürwortern einer Unabhängigkeit geht es um eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris, die Tausenden französisch-stämmigen Bürgern, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen in Neukaledonien leben, das Wahlrecht einräumen würde.

Kanaken hoffen auf eigenen Staat

Sie würden somit mehr politischen Einfluss bekommen. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft schon lange auf einen eigenen Staat.

Seit Start der Ausschreitungen wurden 206 Menschen festgenommen, sagte Darmanin dem Sender France 2. «Die Ruhe wird wieder hergestellt.» Zusätzliche Polizisten würden nach Neukaledonien verlegt und zur Unterstützung auch einige Militärkräfte.

«Es wird keine Armee in den Strassen Neukaledoniens geben», sagte er aber. Paris hatte als Reaktion auf die Gewalt in der Inselgruppe im Südpazifik, die 1500 Kilometer östlich von Australien liegt, am Mittwoch für zunächst zwölf Tage den Ausnahmezustand verhängt.

Ausnahmezustand und Krisensitzung

Unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron sollte es am Donnerstag eine erneute Krisensitzung geben. Das Hochkommissariat in Neukaledonien gab bekannt, dass rund 5000 Randalierer im Grossraum der Hauptstadt Nouméa an den Unruhen beteiligt seien.

Trotz Ausgangssperren war die Lage nicht unter Kontrolle. Das grösste Krankenhaus des Archipels teilte mit, derzeit vorwiegend Notfälle zu behandeln. Wegen Strassenblockaden hätten viele Erkrankte aber Probleme, die Klinik überhaupt zu erreichen.

Riesiger wirtschaftlicher Schaden

Der Flughafen La Tontoura blieb weiter geschlossen. Vor vielen Geschäften bildeten sich lange Schlangen, weil Lebensmittel rationiert werden, wie der Sender 1ère Nouvelle-Calédonie berichtete.

Tankstellen ging das Benzin aus. «Das Leben wird von nun an nie mehr dasselbe sein. Es wird viele Monate dauern, alles wieder aufzubauen, wenn das überhaupt möglich ist», zitierte der britische «Guardian» die Einwohnerin Lizzie Carboni aus Nouméa.

«Vor ein paar Tagen gingen wir aus, sassen in Cafés und lachten zusammen, aber innerhalb weniger Stunden hat sich alles verändert.» Die Präsidentin der Südprovinz Sonia Backès, eine prominente Aktivistin für einen Verbleib bei Frankreich, bat Paris um finanzielle Unterstützung.

Forderung nach Festnahme der Verantwortlichen

Den Schaden für die Wirtschaft Neukaledoniens schätzte die Industrie- und Handelskammer bereits auf 150 Millionen Euro. Der nationale Rat der Kanaken – Inaat Ne Kanaky – verurteilte derweil «den ungerechtfertigten Vandalismus und die Gewalt mit Schusswaffengebrauch auf öffentlichen Strassen» und forderte die Festnahme der Verantwortlichen.

Gleichzeitig bedauere der Rat, dass die französische Regierung die umstrittene Verfassungsreform angenommen habe, ohne den Widerstand der grossen Mehrheit der indigenen Bevölkerung zu berücksichtigen.

Von 1853 bis 1946 war Neukaledonien französische Kolonie. Die Inselgruppe hatte durch das Abkommen von Nouméa 1998 bereits weitgehende Autonomie erlangt. Für Paris ist das Territorium vor allem geopolitisch, militärisch und wegen grosser Nickelvorkommen von Bedeutung.

Derzeit versucht Paris, mit den politischen Kräften in Nouméa ein neues Abkommen zu schliessen.

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